Karl Spieler und die Theilheimer Chronik

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K a r l   S p i e l e r , geboren in Heimbuchenthal im Spessart, war vom 23. November 1921 bis 30. September 1928 Kaplan in Theilheim. In diesen Jahren fasste er, wie er in seinem Vorwort zur Chronik im Jahre 1941 schreibt, den Entschluß, eine „D o r f g e s c h i c h t e“ zusammenzustellen.

Er durchstöberte dafür das Gemeindearchiv und die Gemeindeakten in Theilheim, die Archivalien im Staatsarchiv zu Würzburg, die Pfarrmatrikeln in Wipfeld – die Kaplanei/Expositur Theilheim gehörte und gehört wohl auch heute noch rein formal zur Pfarrei Wipfeld – sowie die Kirchenrechnungen von Theilheim und Dächheim.


Als er im Herbst 1928 als Pfarrer nach Poppenlauer versetzt wurde, war, wie er schreibt, noch nicht einmal die Stoffsammlung abgeschlossen. Er nahm deshalb die ganzen Unterlagen mit nach Poppenlauer, um dort in seiner Pfarrei weiter an der Theilheimer „Dorfgeschichte“ zu arbeiten. Als er in den 30er Jahren dann zum Pfarrer von Grettstadt ernannt wurde, fand er dort i. J. 1938 die „abgebaute Lehrschwester Therese Hofmann aus Röttingen“ – vermutlich eine Nonne, der die Nazis eine weitere Lehrtätigkeit untersagten –, die ihm bei der Ordnung der Stofffülle half und sogar die handschriftliche Reinschrift seiner „Dorfgeschichte“, wie er sie in aller Bescheidenheit nannte, übernahm.
Zu Weihnachten 1941 – also mitten im Krieg, aber vor der berüchtigten Wannseekonferenz im Januar 1942, bei der die Nazis die „Endlösung“ für die Juden beschlossen – übergibt Pfarrer Spieler „die Arbeit „ an seine „ehemalige Seelsorgsgemeinde, die ich immer noch in besten Gedanken habe.“

In normalen Zeiten, heute wie auch früher, hätten Bürgermeister und Gemeinderat einer Ortschaft bei der Übergabe einer für das Dorf so einmaligen und deshalb so wertvollen Chronik keinen Moment gezögert, dem Mann, der Jahrzehnte an diesem Werk gearbeitet hatte, die Ehrenbürgerschaft der Gemeinde zu verleihen.

Nichts dergleichen geschah zu Weihnachten 1941. Nicht einmal ein Dankesschreiben scheint sich im Archiv der ehemals selbständigen Gemeinde Theilheim zu befinden.
Es war Nazi-Zeit und dem Bürgermeister, der im November 1938 untätig mit angesehen und vielleicht sogar mitgeholfen hatte, als ein Nachfolger dieses Karl Spieler, nämlich Kaplan Paul Anders, wegen angeblicher Beleidigung des Führers zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde, diesem Bürgermeister war die Sache wohl eher peinlich. Der Gemeinderat selbst, in dem nur noch ältere und alte Männer saßen – die jungen starben damals an allen Fronten in Europa und Nordafrika für den Massenmörder und Kriegsverbrecher Adolf Hitler – war nicht „gleichgeschaltet“, er war schlicht und einfach ausgeschaltet. Was zu tun und zu lassen war entschied der Gauleiter.

Deshalb hier und heute, 79 Jahre danach, ein dankbares Gedenken an den verhinderten Ehrenbürger der ehemaligen Gemeinde Theilheim nicht etwa – um jedes Mißverständnis zu vermeiden – von der heutigen Gemeinde Waigolshausen oder vom Ortsteil Theilheim, sondern von jemandem, der seine Kindheit in diesem Dorf verbracht hat und der durch die Schicksalsschläge seiner Familie im Hitler-Krieg und den plötzlichen Tod seines Bruders Albin im Alter von 33 Jahren immer mit diesem Dorf verbunden geblieben ist.

W. Bätz, München, am 9. November 2020

One Reply to “Karl Spieler und die Theilheimer Chronik”

  1. Wenn man diesen Artikel über Karl Spieler und die Ortsgeschichte liest, fragt man sich, wieso in Theilheim noch keiner daran gedacht hat, einmal eine Straße oder Gasse nach diesem Mann zu benennen.

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