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Weinbau: Glanz und Elend des Weinbaus in Theilheim

Weinberg in Theilheim
Glanz und Elend des Weinbaus in Theilheim

Das Theilheimer Weinfest im August 2019 ist ein guter Anlass den Weinbau der letzten Jahrzehnte in Theilheim Revue passieren zu lassen. Dies lässt sich am einfachsten an der Geschichte eines Weinbergs veranschaulichen.

Als die Regierung von Unterfranken im Mai 1984 für die Flur-Nr. 581, Lagebezeichnung „Sommerberg“ die Genehmigung zur Neuanpflanzung von Weinreben erteilte, war das Interesse groß, da kurz darauf der EG-Anbaustopp in Kraft trat.

Der Weinberg wurde dann an einen seinerzeit recht erfolgreichen Winzer in Hergolshausen auf 20 Jahre verpachtet. Den Anschlussvertrag für weitere 10 Jahre hat der Pächter jedoch Anfang 2005 völlig unerwartet aus familiären Gründen gekündigt.

Zu diesem Zeitpunkt gab es mehrere Interessenten, die den Weinberg nicht pachten, sondern kaufen wollten, ein Angebot, das ich ablehnen musste, da die Verpachtung langfristig zu den Einkünften meiner Schwester beitragen sollte.

Da durch die verspätete Kündigung des Pachtvertrags die Zeit für erste Arbeiten im Weinberg bereits näherrückte, bot ich den Weinberg, den ich ja nicht selbst bearbeiten konnte, für das laufende Jahr völlig pachtfrei einem jungen Winzer an, in der Hoffnung, im Anschluss daran einen für beide Seiten günstigen und langfristigen Pachtvertrag abschließen zu können. Diese Erwartung sollte sich jedoch nicht erfüllen.

Meine Notlage ausnutzend, bot man mir für den ganzen Weinberg gerade mal 180 € und ein paar Dutzend „Flaschen Wein“. Obwohl dies für den Verpächter langfristig völlig uninteressant war, blieb mir aufgrund der Umstände keine andere Wahl, als für wenigstens 10 Jahre abzuschließen. Aber es sollte noch schöner kommen: Im letzten Pachtjahr weigerte man sich sogar, mir die volle Anzahl der nach Pachtvertrag vereinbarten „Flaschen Wein“ auszuhändigen, wenn ich mich dabei nicht auf den billigsten Wein beschränkte. So schuldet mir der Pächter noch heute anderthalb Dutzend Flaschen, und ich kann nur hoffen, dass er seinen Jahresgewinn dadurch wesentlich steigern konnte.

In der Zwischenzeit hatte sich die Marktsituation für die Winzer grundlegend geändert. Es gab und es gibt auch heute, wie man mir in Wipfeld versicherte, inzwischen mehr Weinberge zum Pachten oder auch zum Kaufen, als der Markt verkraften kann. Einer der Gründe dafür ist sicher ein seit 2016 gültiges bayerisches Gesetz, nach welchem das Pflanzrecht automatisch dem zufällt, der den Weinberg rodet und neu anlegt. Dadurch werden alle nicht selbst aktiven Weinbergsbesitzer automatisch aus dem Markt gedrängt.

In dieser Situation war an ein Verpachten des Weinbergs nicht mehr zu denken. Da keiner der Weinbauern in Theilheim an einem Kauf interessiert war, verkaufte ich den Weinberg schließlich an einen Liebhaber aus einem Nachbarort.

So ist ein Theilheimer Weinberg, der wohl schon vor mehr als hundert Jahren betrieben wurde – bereits mein Ur-Urgroßvater und Urgroßvater Brehm betrieben nach Aufzeichnungen dort einen Weinberg – wegen der angespannten Marktlage nun in ortsfremde Hände übergegangen.

Theilheim, im heißen Sommer 2019

W. Bätz

75 Jahre danach: Hergolshausen, Grafenrheinfeld, Röthlein und Hirschfeld brennen!Die Bombennacht vom 24. auf 25. Februar 1944 erlebt von einem Siebenjährigen in Theilheim

Es war nicht, wie in der Theilheimer 900-Jahr-Chronik auf S. 107 ausgeführt, im Februar 1943, sondern mit Sicherheit im Februar 1944, da der damals Siebenjährige am folgenden Morgen als Erstklässler in die Kirche zum Erstkommunionunterricht bei Kuratus Martin gehen mußte, während er im Februar 1943 noch nicht einmal eingeschult war.

Eigentlich war der Siebenjährige längst an regelmäßige Luftangriffe auf Schweinfurt gewöhnt. Für jeden der drei Brüder, Alois, Albin und Willibald Bätz – die 1939 geborene Schwester Maria (verh. Stumpf) wurde von Mutter extra versorgt – lag abends ein Bündel Kleider neben dem Bett, und bei Fliegeralarm packte jeder sein Bündel und ging mit der Familie über den Hof in den Rübenkeller unter der Scheune, wo einige Stühle und Bänke hergerichtet waren, auf denen man das Ende des Luftangriffs abwarten konnte.

In der Nacht des 24. Februar war alles anders.

Der Heulers Johann, ein alter Mann aus dem letzten Haus im Dorf Richtung Schwanfelder Berg, der, weil er ein Radio besaß, immer kam, am Fenster klopfte und der kinderreichen Familie rechtzeitig den Anflug feindlicher Bomber meldete, war an diesem Abend gegen 10 Uhr offensichtlich zu spät dran; denn Minuten später hörte man bereits den Einschlag von Bomben.

Die Kinder kamen zwar noch rechtzeitig aus den Betten und zogen sich an, aber zum Gang über den Hof reichte es nicht mehr; denn schon klirrten die Fenster und schepperten die Türen in den Angeln bei den nicht mehr enden wollenden Explosionen von Bomben in allen Himmelsrichtungen. Dies war, völlig ungewohnt, kein Angriff auf Schweinfurt, sondern offensichtlich auf die umliegenden Dörfer. Den Grund dafür sollte man später erfahren.

Wir Kinder standen, zunächst mit unserem Kleiderbündel unterm Arm, in der „Stubn“ verängstigt um den Tisch herum, und die Mutter fing an zu beten: ein Vaterunser und Ave Maria nach dem andern, unterbrochen nur von Anrufen und Bitten aus allen bekannten Litaneien. Bei jedem Bombeneinschlag in der Nähe fing auch die Lampe noch an zu flackern.

Nach etwa einer Stunde klopfte jemand ans Fenster und fragte nach Vater, der zum Feuerwehreinsatz gerufen wurde. Später erfuhren wir, dass die Theilheimer Feuerwehr dem brennenden Hergolshausen zu Hilfe kommen wollte. Als die Theilheimer jedoch mit ihrer handgetriebenen Spritze in Hergolshausen ankamen, war die Spritze bei der klirrenden Kälte eingefroren. Man ließ die Spritze einfach stehen und versuchte, unter teilweisem Schutz im Straßengraben, wie man später erzählte, unverrichteter Dinge Theilheim und das Zuhause wieder zu erreichen.

Gegen Mitternacht klopfte es erneut am Fenster. Draußen stand die Hartmanns Elfriede (die Schwester von Adolf Hartmann) und schrie: „Ihr hockt da drinnen und da heraußen brennt`s!“ Wir stürzten alle hinaus, und tatsächlich war eine Brandbombe ca. 30 cm vor der Pforte nieder gegangen und brannte lichterloh. Meine Mutter behielt die Nerven und kannte sich offensichtlich aus: Sie holte nicht Wasser, sondern einen der Eimer Sand, die immer im Hof in Reserve standen und löschte das Feuer. – Wäre diese Brandbombe auch nur einen Meter weiter westlich eingeschlagen, hätte sie das Dach erwischt. Das Wohnhaus mit angebautem Kuhstall, mit Futterkammer, Schweinestall und Scheune wären von der Theilheimer Feuerwehr sicher nicht gerettet worden. Irgendwann, wohl gegen 1 Uhr morgens ging das Drama dann zu Ende, und Mutter brachte die Kinder ins Bett, ohne dass Vater wieder zurück gewesen wäre.

Am nächsten Morgen um 10 Uhr hatten wir „Kommunionunterricht“ in der Kirche als Vorbereitung auf die Erstkommunion. Obwohl in der 1. Klasse mit Winfried Fischer, Raimund Seufert, Georg Borst, Adolf Sauer, Herbert Rottenberger, Winfried Zehe, Otto Friedrich, Erna Preger, Agnes Kestler etc. ließen mich meine Eltern mit der zweiten Klasse von Georg Sauer, Josef Graf, Winfried Friedrich, „Schmieds“ Anton, Hedwig Stumpf (verh. Dülk), Ida Hetterich etc. an der Erstkommunion teilnehmen, da ich angeblich schon gut genug lesen konnte und man befürchtete, dass der Krieg ein Jahr später noch näher komme, was ja dann auch der Fall war.

Der noch junge Kuratus Erhard Martin, wie mein Onkel Alois Jahrgang 1910, gutaussehend und, wie ich später erfuhr, von den jungen, sehr frommen Mädchen als noch einziger junger Mann im Dorf angehimmelt, begann seinen Unterricht mit Erklärungen über die hl. Eucharistie, die geweihten Hostien, die Kommunion etc. etc. , ohne die Schrecken der Nacht auch nur mit einem einzigen Wort zu erwähnen. Da auch die meisten Kirchenfenster in der Nacht zersprungen und zerborsten waren und der Wind kalt durch die Kirche pfiff, war ich überzeugt, dass der Herr Expositus, wie er auch hieß, in dieser Nacht unmöglich zuhause gewesen sein konnte; denn sonst hätte er doch wohl irgend was dazu gesagt. Als ich diese Meinung später der Tante Lidwina gegenüber äußerte, hat sie nur gelacht.

Im Laufe des Nachmittags fuhr dann ein Lastauto an unserem Haus vorbei, beladen mit einer „Luftmine“ so groß wie ein Jauchefaß. Man erzählte, dass sie, irgendwo zwischen Glasweg und Hammich, Gott sei Dank, nicht explodiert sei, denn sonst wäre wohl ein Teil des Dorfes nicht mehr da. Man erzählte auch, dass Hergolshausen, Bergrheinfeld, Grafenrheinfeld, Röthlein und Hirschfeld gebrannt hätten, weil sich die Bomber fälschlicherweise auf einen Acker von Hutten konzentriert hätten in dem Glauben, dort das Gaswerk von Schweinfurt getroffen zu haben. In Wirklichkeit hatten sie einen Haufen Kleeböcke getroffen, die der Gutsherr Hutten über den Winter dort zu Hunderten in einem Haufen auf freiem Felde gestapelt hatte. Dieses hell lodernde Feuer war den umliegenden Dörfern zum Verhängnis geworden.

75 Jahre sind inzwischen vergangen, aber in all diesen Jahren – gleichgültig, ob ich mich in Würzburg, Lyon, Aschaffenburg, Paris, London oder die letzten 52 Jahre in München aufhielt – ist kein 24. Februar vergangen, ohne dass ich dieser schrecklichen Nacht in Theilheim gedacht hätte.

München, den 24. Februar 2019

Unterschrift des Authors Willi  Bätz