Das traurige Ende der Theilheimer Synagoge

Zum Beschluss des Gemeinderats Waigolshausen, für Nutzung und Umbau der ehemaligen Synagoge zum Zweifamilienhaus in der Gemarkung Theilheim das bauplanungsrechtliche gemeindliche Einvernehmen zu erteilen.
Dass dazu, wie im Nachrichtenblatt Nr.8/20 der Gemeinde an gleicher Stelle ausgeführt, auch noch ein Antrag auf Förderung im Rahmen des kommunalen Förderprogramms zur Revitalisierung der Ortsteile gestellt wird, klingt geradezu wie ein Hohn auf das kulturelle Erbe dieser kleinen Gemeinde in Unterfranken.

Worum geht es hier eigentlich?

Neben der Dorfkirche aus dem 18. Jh. und dem herrschaftlichen Gebäude der ehemaligen Vögte und Verwalter der Erboblei ( = Freihöfe) des Domkapitels im Hochstift Würzburg, heute Schlossstraße 8, ebenfalls aus dem 18.Jh., bleibt dem heutigen Ortsteil Theilheim als drittes historisches Bauwerk nur noch die ehemalige Synagoge.

Diese wurde von den Theilheimer Juden im Jahre 1872 erbaut mit sehr dekorativen Rundbogenfenstern (s. Foto). Dass es sich bei der damaligen jüdischen Gemeinschaft nicht um eine zu vernachlässigende Minderheit handelte, sondern um einen wesentlichen Teil der Einwohnerschaft, der das gesellschaftliche Leben im Dorf mit prägte, ergibt sich nicht nur aus den recht stolzen Baukosten von 12 000 Gulden, sondern auch aus Aufzeichnungen in der Dorfchronik. Demnach wohnten 1833 43 christliche und 38 jüdische Familien im Dorf mit 51 jüdischen und und 43 christlichen Schulkindern. 1867, also wenige Jahre vor Beginn des Synagogenbaus, zählte das Dorf mehr als 200 jüdische Mitbürger, wobei Frauen und Kinder sicher nicht mitgezählt wurden.
Zur allseits bekannten sogenannten „Reichskristallnacht“, in der im November 1938 auch die Theilheimer Synagoge niedergebrannt wurde, sei nur erwähnt, dass dies durch SA-Kommandos aus Schweinfurt und Umgebung geschah und die Dorfbewohner aus Respekt vor ihren jüdischen Mitbürgern jede „Kollaboration“, selbst beim späteren Löschen des Brandes, verweigerten.

Im Jahre 1940 tauchte ein gewisser Adolf Jung aus Obereisenheim auf, der die ausgebrannte Synagoge in eine Werkstatt mit Lager für landwirtschaftliche Maschinen umfunktionieren wollte.
In dem damals von Nazis verwalteten Dorf bestand natürlich kein Interesse am Erhalt dieses Gebäudes.
Mit dem Auftreten der JRSO (Jewish Restitution Successor Organisation) ab 1946, der es nicht mehr um den Erhalt jüdischer Einrichtungen ging – wozu auch, schließlich hatten die Nazis dafür gesorgt, dass es in Deutschland keine Juden mehr gab -, stand auch die Synagoge zum Verkauf.

Nicht die Gemeinde, sondern der Theilheimer Bauer Lorenz Caesar griff zu. Er erstand die Ruine 1952 von der IRSO für 2000 DM, versah sie als Maschinenhalle mit einem Dach und rettete sie so vor weiterem Verfall.

Als die Synagoge später wieder zum Verkauf stand und irgendwann an den derzeitigen Eigentümer ging, interessierte dies den Theilheimer Gemeinderat – schließlich war die Gemeinde bis zur Gebietsreform in Bayern im Jahr 1978 selbständig – offensichtlich nicht. Nur als die Außenwände der Synagoge so schadhaft waren, dass Einsturzgefahr bestand, raffte man sich, wie mir berichtet wurde, einmal auf, mit Unterstützung des Amtes für Denkmalschutz wenigstens die Außenwände der Synagoge zu stabilisieren. Somit hat eine lange Abfolge von Kulturbanausen im Gemeinderat zu Theilheim das Schicksal des kulturhistorischen Denkmals letztendlich besiegelt.

Zwar hätte die Gemeinde, auch wenn die Synagoge in privaten Händen war, in all den Jahren immer wieder eine Gelegenheit gehabt wie es heute auf Neudeutsch heißt, einen „Deal“ zur Erhaltung dieses historischen Bauwerks mit dem Eigentümer zu machen; denn schließlich brauchte dieser für die verschiedenen Maschinen- und Lagerhallen, die inzwischen diese Wohngegend verschandeln, jedes Mal eine „bauplanrechtliche gemeindliche Genehmigung“.
Statt dessen zog man es jedoch vor, vermutlich zigtausend Euro in ein belangloses Schulhaus von 1907 zu investieren, das der Blaskapelle und dem Chor des Musikvereins zu Übungszwecken dient. Dem gegenüber hätte ein restauriertes Synagogen-Gebäude neben Übungsmöglichkeiten nicht nur eine Art „Konzerthalle“ geboten, sondern im ca. drei Meter hohen Obergeschoss auch noch Platz für ein Dokumentationszentrum mit Lese- und Gemeinschaftsraum geschaffen. Gemeinden wie Wipfeld und Schwanfeld haben es jedenfalls nicht versäumt, ihren Bürgern Leseräume und Ähnliches einzurichten.

Der Gipfel der Groteske ist es jedoch, dass der Gemeinderat Waigolshausen – Theilheimer sind dort nun in der Minderheit – jetzt auch noch die Chuzpe hat, für das endgültige Aufgehen des kulturgeschichtlichen Denkmals in ganze zwei Wohneinheiten mit genehmigter Errichtung von Fassaden-zerstörenden Anbauten wie Garagen und Geräteschuppen die Förderung im Rahmen des Programms zur Revitalisierung der Ortsteile zu beantragen.

Von Albert Einstein stammt der Satz: „Die Dummheit der Menschen und das Universum sind unendlich, nur bei Letzterem bin ich mir noch nicht ganz sicher.“ Dieser Feststellung könnte vermutlich auch hier passen.

München, den 15. September 2020

W. Bätz, Ministerialrat a.D.
ein gebürtiger Theilheimer

5 Replies to “Das traurige Ende der Theilheimer Synagoge”

  1. Verehrte Frau Roßdeutsch!

    Ihre polemische Kritik zu meinen Beiträgen im Theilheimer Dorfblatt ist von der Sache her durch absolut gar nichts gerechtfertigt; denn:

    Erstens sollten Sie als Gemeindebürgerin wissen, dass die Gemeinde Waigolshausen nicht die Trägerin dieses Dorfblattes ist und dass Veröffentlichungen der Gemeinde nicht im Dorfblatt, sondern u.a. auf der Homepage der Gemeinde unter http://www.waigolshausen.de erfolgen.
    Im Unterschied dazu – hoffentlich wird Ihnen der Unterschied damit klar – ist das Dorfblatt eine privat organisierte Plattform, auf der jeder seine Meinung zum besten geben kann. Dass Ihre Kritik an meinen Beiträgen dort unverkürzt, also unzensiert zu lesen ist, sollte Ihnen eigentlich dafür Beweis genug sein.

    Zweitens hätte es wohl nur eines sehr durchschnittlichen Leseverständnisses – ein solches wird nach den Pisa-Tests an den Schulen heute leider von vielen Schulabgängern nicht mehr erreicht – bedurft, um festzustellen, dass Beiträge von mir nicht etwa mit „die trauernden Bürger Theilheims“ oder einer anderen Theilheimer Gruppierung, sonder als meine Meinungsäußerung schlicht und einfach von mir gezeichnet sind.
    Es wäre psychologisch sicher sehr interessant, der Frage nachzugehen, wie Sie zu der Behauptung kommen, alle Bürger sähen sich damit sozusagen automatisch „zwangs-solidarisiert“ mit meinen Ansichten.
    Was schließlich meine Ansichten betrifft, so bin ich nicht nur noch einer der wenigen, die die letzten 75 Jahre Dorfgeschichte wirklich erlebt haben, sondern stamme auch aus einer Familie, in der Eltern, Tanten und Großeltern jederzeit über Hitler- , Kriegs- und Nachkriegszeit – sie hatten sich nämlich im Gegensatz zu manch anderem auch in dieser Zeit nichts vorzuwerfen – sehr offen berichtet haben. Dass ich mich darüber hinaus mit der Theilheimer Dorfchronik und anderen Dokumenten der Theilheimer Geschichte ziemlich intensiv befasst habe und dadurch Vorurteile oder bloßes Hörensagen, das Sie anscheinend verteidigen wollen, durch historische Kenntnisse ersetzt habe, scheint für Sie offensichtlich schwer vorstellbar..

    Dass ich drittens den Mut aufbringen sollte, meine persönliche Meinung auch im Internet zu präsentieren, lässt vermuten, dass Sie diesem Instrument der Kommunikation einen sehr hohen Wahrheitsgehalt beimessen. Offensichtlich haben Sie noch gar nicht mitbekommen, dass dort jeder jeden Blödsinn ungestraft verzapfen kann, angefangen von der immer noch zu findenden Behauptung, dass die Erde keine Kugel, sonder eine Scheibe sei, bis zu den dümmlichen Verschwörungstheorien von heute über das Corona Virus.
    Gleichwohl kann ich Sie auch in dieser Hinsicht beruhigen: Das Theilheimer Dorfblatt, in dem alle meine Beiträge veröffentlicht wurden, ist eine reine Internetplattform! Der Administrator der Plattform könnte Ihnen sogar anzeigen, wie viele Besucher aus den USA und aus anderen Ländern in letzter Zeit Artikel im Dorfblatt gelesen haben.

    Frau Roßdeutsch, Sie wären also sicher gut beraten, wenn Sie diese für Sie disqualifizierende, weil sachlich unbegründete Polemik in Zukunft unterließen und sich statt dessen an sachlichen Diskussionen auch im Dorfblatt beteiligten. Ich kann Ihnen versichern, dass Ihre Beiträge dabei – sofern sie nicht gegen allgemeine Verbote im Internet verstoßen – völlig unverändert veröffentlicht werden.

    MfG

    W. Bätz

  2. Wieso unterlassen Sie nicht Ihre eigene ganz persönliche Meinung als „Theilheimer Dorfblatt“ und somit als die Meinung aller Theilheimer darzustellen??
    Haben Sie doch den Mut, Ihre ganz persönliche Meinung auch als die Ihre im Internet zu präsentieren, und nicht als die aller Theilheimer!
    Ich finde es unerhört, dass ich mich als Theilheimerin mit Ihren Kommentaren in Verbindung bringen lassen muss, solange Sie Ihre Meinung so veröffentlichen, als würden alle Bewohner des ganzen Dorfes hinter Ihnen stehen.

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